Im Folgenden habe ich in alphabetischer Reihenfolge Fragen aufgelistet und beantwortet, die mir als Künstlerin oft ge-stellt werden:
A wie Arbeitsweise
Seit meinem Studium mache ich fast ausschließlich Holzschnitte. Diese Technik ist tendenziell zeitaufwändig. Für mich ist diese Entschleunigung ein Geschenk, ich arbeite gerne langsam. Lange Pausen, in denen ich die Platten mit dem Gesicht zur Wand stelle, gehören unverzichtbar zu meiner Arbeit. Auf diese Weise provoziere Überlagerungen und Brüche, wie sie für viele meiner Grafiken typisch sind. - Siehe auch „H wie Holzschnitt“, „D wie Dauer“ und „Z wie Zeit“

Das zerbrochene Mädchen, 2013, Holzschnitt, Druckmaß 60 x 120 cm
A wie Asperger-Autismus
Ich bin Asperger-Autistin. Es hat keinen Zweck, drumherum zu reden. Früher oder später fällt es sowieso auf. Autismus ist eine Spektrums“störung“, oder sagen wir lieber Disposition, und kann sich recht unterschiedlich äußern. Allen Betroffenen gemeinsam ist jedoch das Problem-Cluster von mangelnder Flexibilität, hoher Reizempfindlichkeit und Problemen bei der Kommunikation. Das klingt erst mal harmlos, aber in der Praxis knirscht es oft gewaltig: Ich reise nicht gern, und es fällt mir schwer, Gespräche zu führen. Das autistische Gehirn ist anders „verdrahtet“, es kann nicht ausblenden, nicht so schnell umschalten. Deswegen kosten mir bereits alltägliche Situationen wie Einkaufen, Small Talk und Multitasking viel mehr Kraft. Dafür kann ich länger als andere einer monotonen Tätigkeit nachgehen, ohne dass mir langweilig wird. - Siehe auch "O wie Offenheit" und „R wie Rhythmus“

ARBEIT, 2012, fünfteiliger Holzschnitt, Druckmaß jeweils 60 x 42 cm
A wie Atelierbesuch
Prinzipiell sind Atelierbesuche bei mir möglich, aber ich brauche länger als andere, um mich darauf vorbereiten und einstimmen zu können. Das hat zum Einen rein praktische Gründe: Meine Arbeiten lagern in überfüllten Zeichenschränken, sie sind also nicht griffbereit. Da ich zumeist sehr dünnes China-Papier verwende, lassen sich nicht unbegrenzt viele Drucke herausziehen und aus-breiten. Zum anderen ist mein Atelier für mich gewissermaßen der „heilige“ Rückzugsort, meine „Klause“. - Siehe auch "E wie Entschuldigung"






Mein Atelier: oben das eigentliche Arbeitszimmer, in der Mitte das sogenannte lange Zimmer, unten das Lager
A wie Absicht
Mein Bilderwelt wirkt bisweilen sehr hermetisch. Ich möchte mit dieser scheinbaren Rätselhaftigkeit Räume öffnen, etwas anstoßen, ins Freie führen. Nichts liegt mir ferner als plakative Eindeutigkeit. Und dennoch geht es mir um mehr als bloße surrealistische Spielereien. - Siehe auch „B wie Befindlichkeiten“ und "F wie Farbe"

Am Rand lecken, 2019, Holzschnitt, Druckmaß 42 x 54,5 cm
B wie Befindlichkeiten
Man kann meine Arbeiten als Metaphern für komplexe Befindlichkeiten verstehen, die für mich selbst wesentlich sind, die ich aber auch für allgemein relevant halte - allen voran das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft: Selbstbehauptung versus Anpassung, sich fremd fühlen im engsten Umfeld… Das ist weder rebellisch noch larmoyant gemeint. Beim Bildermachen sehe ich mich als unbestechlicher Versuchsleiter. Mein Leben ist ein Labor und meine Arbeit der Seismograph. - Siehe auch "K wie Kunst und Autismus" und "XY wie XX und XY"

OVAL (Kontakt mit dem Unbekannten), 2023, Holzschnitt, Druckmaß 68 x 108,5 cm
C wie Comics
Als Kind wollte ich Kartoonistin werden und klassische Witzbilder zeichnen. Erich Schmitts „Schwester Monika“ habe ich geliebt, auch Karl Schrader, und natürlich den Großmeister Wilhelm Busch... Aber zu Comics im eigentlichen Sinne habe ich keinen Bezug. Mich fasziniert die oft hohe künstlerische Qualität vieler Graphic Novels. Doch wenn ich lese, brauche ich keine Bilder, und wenn ich mir Bilder anschaue, keinen Text. - Siehe auch „I wie Illustrationen“

Märtyrer (Meerschweinchen), 2008, Papierschnitt, 16 x 45 cm
C wie Collage
Irgendwann habe ich angefangen, Fehldrucke zu zerschneiden und neu zusammenzufügen. Ich mag die absurden Kombinationen, die dabei entstehen. So verrückt kann man sich das nicht ausdenken. Inzwischen ist das Collagieren zu einem festen Bestandteil meiner Arbeit geworden. - Siehe auch „T wie Träume“

EXIL, 2018, Holzschnitt-Collagen, jeweils 30 x 21 cm
D wie Dauer
Es ist schwer für mich zu sagen, wie lange ich für meine Holzschnitte brauche. Ich arbeite immer an mehreren Platten gleichzeitig. Manchmal zieht sich dieser Prozess über Jahre hin, so dass von einem Motiv unterschiedliche Fassungen entstehen. Meist gefällt mir die Zweite besser. Überhaupt, ich brauche oft einen zweiten Anlauf. Und ich danke jedem, der mir diesen gewährt. - Siehe auch "I wie Illustrationen" und „Z wie Zeit“

HAIDE I, 2014, Holzschnitt-Triptychon, Druckmaß dreimal 97 x 67 cm + HAIDE II (amo volo ut sis), 2018, Druckmaß zweimal 97 x 67 cm
D wie Drucken
Früher habe ich nicht gerne gedruckt. Das Schneiden war für mich die eigentliche Arbeit. Aber inzwischen habe ich das Drucken mit seinen sich wiederholenden Abläufen lieb ge-wonnen. Trotzdem habe ich noch immer keine eigene Presse. Zu teuer, zu wenig Platz. Solange ich noch den Lehrauftrag an der BURG GIEBICHENSTEIN habe, kann ich dort gelegentlich drucken. - Siehe auch „U wie Unterricht“

In den grafischen Werkstätten der BURG GIEBICHENSTEIN

E wie Entschuldigung
Selbstverständlich freue ich mich, wenn ich eingeladen werde oder Leute mich besuchen möchten. Aber in der Praxis ist es oft schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen. Oft bin ich am Ende eines Tages so überreizt, dass ich mich einfach nur zu-rückziehen möchte. Das ist keine Faulheit oder Ignoranz, das ist einfach ein Schutzmechanismus. Sollte ich jemanden mit meiner sperrigen Art vor den Kopf gestoßen haben, bitte um vielmals Entschuldigung und eine kleine Extraportion Geduld und Verständnis. - Siehe „A wie Asperger-Autismus“ und „R wie Rhythmus“.
Kante, 2020, Holzschnitt, Druckmaß 42 x 60 cm
F wie Farbe
Die meisten meiner Arbeiten sind schwarzweiß. Erst seit 2019 habe ich angefangen, mit dezent farbigen Hintergründen zu spielen. Aber Schwarz bleibt die dominante Farbe. Es ist die Farbe des Buchdrucks, der gedruckten Sprache, der Welt des Geistes. Diese Reduktion ist für mich ein Ruhepol, den ich mir selber schaffe, den ich aber auch dem Betrachter anbieten möchte – angesichts der Übermacht an bunten und bewegten Bildern, mit denen man im digitalen Zeitalter konfrontiert, ja überflutet wird. - Siehe auch „A wie Absicht“ und "G wie Gothic"

Brandstifter, 2020, Farbholzschnitt, Druckmaß 28 x 34 cm
G wie Gothic
Viele empfinden meine Bilder als düster. Das mag an meiner Vorliebe für Schwarz liegen. Ich war in meiner Jugend Gothic. (Genau genommen bin ich das immer noch. Ich bin ja auch immer noch jung.) Dadurch habe ich ein anderes Verhältnis zum Düsteren. Ich selbst würde meine Arbeiten eher als schräg charakterisieren. - Siehe „F wie Farbe“

Nicht lustig, 2021, Holzschnitt, Druckmaß 25 x 50 cm
G wie Grafik-Studium
Ursprünglich hatte ich angefangen, Glas/Keramik-Design zu studieren, merkte aber schon bald, dass aus mir nie eine gute Designerin werden würde. Design soll ja Lösungen anbieten. Kunst dagegen stellt Fragen. Schon nach einem Semester wechselte ich in die Glas/Malerei-Klasse der Kunst-Fakultät. Das war damals ein sehr offenere Fachbereich an der BURG GIEBICHENSTEIN, in der die unterschiedlichsten Herangehens-weisen gepflegt werden konnten. Dort machte ich 1995 meinen ersten Holzschnitt – und merkte sofort: Jetzt ist der Knoten geplatzt! Ein erneuter Wechsel in die Grafik-Fachklasse vollzog sich daraufhin nahezu automatisch. - Siehe auch „H wie Holzschnitt“ und „W wie Werdegang“

mein erster Holzschnitt (in ein Küchenbrettchen), 1995

H wie Holzschnitt
Als ich 1994 anfing, Kunst zu studieren, war noch nicht klar, in welche Richtung es gehen soll: Malerei, Konzept oder doch etwas Plastisches... Mit der Unentschiedenheit war schlagartig Schluss, seit ich meinen ersten Holzschnitt probiert habe. Von diesem Moment an habe ich fast nichts anderes mehr gemacht.
Was fasziniert mich so an dieser Technik? Ich denke, es ist vor allem der Widerstand des Materials. Dieser zwingt mich zur Langsamkeit. Und die Langsamkeit ermöglicht mir ein sehr überlegtes, planvolles Vorgehen. - Siehe auch „M wie Material“ und „Z wie Zeit“
mein Werkzeug
I wie Illustrationen
Hin und wieder werde ich gefragt, ob ich auch Illustrationen mache. Ein paar mal hab ich es versucht, merke aber immer wieder, dass ich keine gute Auftragskünstlerin bin. Ich illustriere permanent meine eigenen Geschichten, die durch meinen Kopf flackern: Erinnerungen, Träume, Erlebtes und Gelesenes. Das alles verschmilzt zu einem Strom an Bildern. Wenn dieser in eine bestimmte Richtung gedrückt werden soll, reagiert meine Inspiration empfindlich und zieht sich zurück. Manchmal klappt es, aber die Mühe steht oft in keinem Verhältnis zum Ergebnis. - Siehe auch „M wie Motive“

Löwin, 2018, Holzschnitt, 15 x 21 cm
I wie Interessen
Die künstlerische Arbeit steht sicher fraglos im Zentrum meines Lebens. Aber ich lese sehr gern und viel. Dostojewski, Kafka, Murakami gehören zu meinen Lieblingsautoren, auch Patricia Highsmith, Juli Zeh und und und…
Manchmal schreibe ich auch selbst kleine Texte. Das ist ein bisschen wie Bildermachen mit Worten. Ansonsten lebe ich wie gesagt sehr zurückgezogen – zusammen mit zwei wundervollen Katzen. - Siehe auch "S wie Schreiben" und "Z wie Zu guter Letzt"

ERIMITIN (Im Gehäuse), 2015, Holzschnitt-Diptychon, zweimal 67 x 97cm
K wie Kunst und Autismus
Die zeitgenössische Kunst ist raumgreifend, multimedial und diskursiv. Diese Art der Herangehensweise erfordert nicht nur künstlerisches Talent, sondern auch ein Höchstmaß an Mobilität und sozialer Kompetenz: Teamfähigkeit, Multitasking, Redege-wandtheit und Lust am Reisen, Lust an der Begegnung. Das sind genau die Skills, über die ich als Asperger-Autistin nicht im ausreichenden Maße verfüge. Leicht war es nie, doch bisher ich konnte meine Defizite durch Fleiß, Struktur und gute Schriftsprache wett machen. Aber seit einigen Jahren hat sich die Kunstlandschaft neu sortiert, so jedenfalls mein Eindruck. Alles ist spontaner und kommunikativer geworden, schwerer planbar. Dadurch fallen meine Schwächen stärker ins Gewicht. Deshalb halte ich es für wichtig, darüber zu sprechen, denn ich bin nicht allein mit meiner "Störung". - Siehe auch "A wie Asperger-Autismus" und "O wie Offenheit"

Weiße Kugeln (Melancholia), 2016, Holzschnittfries, fünf mal 54,4 x 38,2 cm
L wie Linolschnitt
Lange Zeit war ich vollkommen auf Holz fixiert. Linoleum empfand ich als zu weich und zu glatt. Erst 2024 habe ich angefangen, auch Linolschnitte zu machen – mit wachsender Begeisterung. Anstoß hierfür war in erster Linie nachlassende Holzqualität. - Siehe auch „M wie Material“

Kohlweißlinge, 2024, Farblinolschnitt aus Modulen, Größe variabel (ein Modul = 60 x 42 cm)
M wie Module
Gern mache ich zusammengesetzte Arbeiten von nur einer oder nur wenigen Platte(n). So kann man mit relativ kleinen, begrenzten Mittel große Formate erzielen. Die optische Wucht von Wiederholungen vermag ganze Räume zu beherrschen
M wie Material
Am Anfang hab ich zum Schneiden alles genommen, was ich im Sperrmüll gefunden habe. Inzwischen bevorzuge ich Pappel- oder Birkenholzplatten aus dem Baumarkt. Die Oberfläche behandle ich vorm Schneiden mit Schellack, um Wegplatzen und Splittern zu verhindern.


M wie Motive
Als gegenständlich arbeitende Künstlerin, wird man immer wieder mit der Frage konfrontiert: „Was soll das bedeuten?“ Gegenfrage: "Was bedeutet unsere Träume?" Das sind einfach Bilder, die in unseren Köpfen umherschweifen. Bestenfalls kann man eine bestimmte Rich-tung erkennen, aber nicht jedes Detail entschlüsseln. Und genau das ist es ja auch, was ihren Reiz ausmacht. Den der Träume und den meiner Bilder. - Siehe auch „B wie Befindlichkeiten“ und „T wie Träume“
Autist*innen wird oft nachgesagt, sie seien fantasielos. Darauf würde man bei meinen Arbeiten wahrscheinlich überhaupt nicht kommen. Aber wer einmal erlebt hat, wie sehr ich mich mit einem Auftrag herumplage, der weiß, was ich meine: Ich kann mir nichts ausdenken! Die Bilder sind einfach da. Oder sie sind es nicht.
Viele Motive trage ich schon seit meiner Kindheit in mir – wie z.B. die Dachsfrau oder die immer wiederkehrenden Pferde. Anderes entsteht über Worte, also ich höre oder lese etwas, und sofort ist da ein Bild in meinem Kopf. Vom ersten Moment an spüre ich, ob eine Bildidee Potential hat oder nicht. - Siehe auch „I wie Illustrationen“ und „T wie Tiere“
GLASHAUS (Bei der Dachsfrau), 2016, Holzschnitt, 135 x 84 cm
N wie Nichts
Es kam für mich einem Erweckungserlebnis gleich, als mich am Anfang des Studiums ein Dozent darauf hinwies, mehr Nichts in meine Arbeiten einzubauen. Das war genau der richtige Hinweis im richtigen Moment: Schon immer hatte ich das Gefühl, an einem schwer zu beschreibenden „Zuviel“ zu leiden. Ich brauche mehr Ruhe, mehr „Nichts“ als die meisten anderen Menschen. Im klassischen Holzschnitt erscheint die Leere, also die unbearbeitete Fläche, schwarz. Aber dieses Schwarz ist nicht Nichts -, es ist Tiefe. Es ist Raum: FREI-Raum, Abstand, Aktionspotential. - Siehe auch „A wie Absicht“

NIHIL EST, 2014, vierteiliger Holzschnitt, insgesamt 140 x 140 cm

O wie Offenheit
Nach dem Corona-Lockdown bin ich nicht wieder in die Gänge gekommen. Das Lockdown-Leben entsprach zu sehr dem, was ich persönlich als angenehm empfinde. Hinzu kam bzw. kommt, dass nach der Öffnung alles noch viel chaotischer und unverbindlicher geworden ist, als es ohnehin schon im Kunstgeschäft zugeht. Seit 2021 hatte ich kaum eine Ausstellung, bei der nicht in irgend einer Weise die Eckdaten verschoben wurden. Dadurch kommt es ständig zu Überschneidungen mit hoher Termindichte, was ich als Autistin eigentlich vermeiden sollte. Das macht mir ziemlich zu schaffen. Deshalb hab ich beschlossen, offen mit meiner Neurodivergenz umzugehen. Ändern kann ich es sowieso nicht. Und ich bin nicht allein damit. - Siehe auch "K wie Kunst und Autismus""
Bei Tagesanbruch, 2020, Holzschnitt, 68 x 68 cm
P wie Papercuts
Seit 2008 ergänze ich meine Holzschnitte hin und wieder mit Papierschnitten. Das ermöglicht es mir, das begrenzende Geviert der Druckgrafik zu verlassen und ganze Wände zu erobern. Die Ästhetik bleibt dabei dem Holzschnitt sehr ähnlich. Bei mir jedenfalls.
Meine ganz große Liebe gehört jedoch unangefochten dem Holzschnitt. Darin ist viel mehr grafische Raffinesse möglich: Strukturen, Überlagerungen, Weichheit... Und die gedruckten Grafiken existieren auch ohne mich, sie können als meine Stellvertreter die Welt erobern. Die Installation der Papierschnitte erfordert jedoch immer ein längeres Arbeiten vor Ort. Jeder, der oder die mich ein bisschen besser kennt, weiß, dass ich nicht gerne reise. Trotzdem mache ich immer mal wieder Papierschnitte, zumeist größere Figuren-Ensemble, die ich je nach Ausstellungssituation unterschiedlich anordne. - Siehe auch „A wie Arbeitsweise“ und „H wie Holzschnitt“

Wandinstallation aus Papierschnitten im Deutschen Bundestag, 2012
R wie Rhythmus
Mein Tagesablauf ist normalerweise streng getaktet: Morgens gehe ich zwei Stunden ins Atelier. Das ist die beste Zeit des Tages. Danach erledige entweder Bürokram, Haushalt oder Einkäufe. Von 17 bis 19 Uhr lese und ruhe ich (die zweitbeste Zeit). Dann mache ich Sport und ein bisschen Wellness, um den Kopf wieder freizubekommen. Und nachts arbeite ich noch mal zwei Stunden im Atelier.
Ich genieße diesen Rhythmus, die Wiederkehr des Immergleichen. Als Asperger-Autistin bin ich sehr störanfällig, bis hin zum völligen Versiegen der Schaffenskraft. Das ist oft ein Problem, weil das Künstlerleben mit ein hohes Maß an Spontanität und Flexibilität erfordert. So sehr ich meinen Beruf auch liebe, so schwer planbar hatte ich mir das nicht vorgestellt. Das war für mich ein ganz wichtiges Entscheidungskriterium bei der Berufswahl. - Siehe „W wie Werdegang“

ZYKLUS, 2018, vierteiliger Holschnitt, viermal 50 x 50 cm
S wie Skizzen
Ich verbringe verhältnismäßig wenig Zeit mit Vorarbeiten. Am Anfang stehen bei mir oft nur flüchtige Notizen, „luschig“ hingekritzelt auf das nächstbeste Stück Papier. Oft sind das alte Briefumschläge. Später mache ich davon noch mal eine „ordentliche“ Zeichnung ins Skizzenheft, in der ich die Proportionen festlege. Diese übertrage ich mittels eines Rasters auf die Holzplatte (oder auf schwarzen Fotokarton, im Falle der Papercuts). Aber bei der Umsetzung, also dem Schneiden, ändert sich noch mal viel. Soll auch! Die Bilder sollen leben! Die Hintergründe entstehen bei mir generell erst beim Machen. - Sie auch „Z… wie Zeit“

Skizzen zu dem Papierschnitt-Ensemble "Schwarzvögel", 2019

S wie Schreiben
Neben meiner Arbeit als bildende Künstlerin schreibe ich relativ viel. Das ist meine Art, mich mitzuteilen. Im direkten Gespräch bin ich oft blockiert. Das geht mir zu schnell. Schreiben ist dagegen viel näher am Bildermachen. - Siehe auch „I wie Interessen“
"Hand" und "Kind" aus der Serie MELENCOLIA INFANTILIS, 2013, Holzschnitte, jeweils 40 x 30 cm
T wie Tiere
Als Kind hatte ich eine überbordende Fantasiewelt, in der Tiere bzw. Mensch-Tier-Mischwesen im Mittelpunkt standen. Jedem Tier war eine bestimmte Qualität zugeordnet: Die Vogelkinder waren die Hauptakteure, Pferde die Wächter u.s.w.. Ich habe permanent Geschichten gezeichnet, mit Filzstift auf DinA 4-Zeichenblock-Papier. Meine Mutter musste die Blätter in der von mir gewünschten Reihenfolge zusammennähen. Genau genommen war es immer ein und die selbe Geschichte, die ich immer wieder neu interpretierte. Ich tarnte diese Hefte mit Titeln wie „Traumbuch“ oder „Fantastische Geschichten“, weil ich deswegen belächelt wurde. Aber für mich hatten diese Bücher das Gewicht einer heiligen Offenbarung. - Sie auch "T wie Träume"

Pferdemenschen, 1980, Filzstift auf Zeichenpapier, 21 x 30 cm
T wie Träume
Träume spielen für mich eine wichtige Rolle als Inspirationsquelle. Ich mag den Mix aus nachvollziehbaren und völlig schrägen Elementen. Alles scheint von Bedeutung und miteinander verbunden zu sein. Doch einer Lesbarkeit bis ins letzte Detail entziehen sie sich - die Träume ebenso wie meine Bilder. - Siehe auch „A wie Absicht“ und „M wie Motive“

STILLES VOLK (Schatten), 2006, Holzschnitt, Druckmaß 23 x 330 cm

U wie Unterricht
Seit 2010 betreue ich an der Kunsthochschule BURG GIEBICHENSTEIN den Holzschnitt-Kurs – mit großer Freude (und ich denke auch, mit viel Erfolg). Manch einer wird sich jetzt vielleicht fragen, wie das mit Asperger-Autismus zusammengeht. Aber Holzschnitt mein Spezialgebiet. Darin fühle ich mich absolut sicher: Die Materie ist mir vertraut, die Druckwerkstatt ist mir vertraut. Das, was ich mit meinen Kursteilnehmern mache, ist genau das, was mich selbst ständig umtreibt. - Sie auch "A wie Arbeitsweise" und "H wie Holzschnitt"
Mit einer Studentin beim Drucken
V wie Vorbilder
Ganz am Anfang hätte ich gesagt: Ich habe keine Vorbilder, ich will mein ganz Eigenes finden. Aber so einfach ist das natürlich nicht.
Zu Beginn des Studiums waren für mich vor allem die Expressionisten wichtig: Die schroffen Gesichter, die harten Kontraste. Aber ich mochte immer auch die frühen, mittelalterlichen Buchdrucke mit ihren schlicht gebauten, bühnenhaften Räumen. Dürer ist ohne Zweifel der Größte von allen.
Nicht unrelevant als Inspirationsquelle sind für mich auch die sogenannte Outsider, also Künstler, die nicht studiert haben und deren Schaffen sich aus einer psychischen Verwerfung oder einem mystischen Erlebnis speist. Der bekannteste Vertreter ist wohl Henry Darger, mit seinen komplexen, scheinbar kindlichen Bilderbuchwelten. - Siehe auch „M wie Motive“ und „T wie Träume“

Nomaden (Die Weggänger9, 2007, Holzschnitt, Druckmaß 50 x 93 xm
W wie Werdegang
Normalerweise gab es in der DDR gut organisierte Zeichenzirkel für Kinder und Jugendliche, aber ich hatte ein bisschen Pech: Unsere Schule war eher sportlich orientiert. Eine Malkurs gab es nicht. Und ich bin sagenhaft unsportlich… Ironie des Schicksals: 1991, nach der sogenannten „Wende“ wurde am Sport-Gymnasium in Halle (Saale) eine Kunstförderklasse eingerichtet. Ein Talente-Gymnasium sollte entstehen. Ich bewarb mich und wurde angenommen. Doch leider war das (wie Vieles andere auch) nur eins der kurzlebigen, idealistischen Projekt Anfang der 90er Jahre. Als die Sport-Schule neue Sponsoren fand, wurde der Kunstzweig abgestoßen. (Junge Sportler sind nun mal lukrativer als junge Künstler.)
Als Folge-Einrichtung entstand das inzwischen sehr renommierte Kunstgymnasium in Wettin. Aber für meinen Jahrgang kam das zu spät. Ich war bereits in der 11.-12. Klasse und musste mein Abitur an der Sportschule machen, erhielt aber weiterhin Unterricht an der BURG GIEBICHENSTEIN.
Für mich war zu der Zeit bereits klar, dass ich Kunst studieren möchte. Am liebsten an der BURG. Allerdings fiel der Eignungstest 1993 mit meinen Abitur-Prüfungen zusammen. Ich konnte mich als erst einmal nicht bewerben.
Meine Eltern nutzten die Chance, mich doch noch in ein gewissermaßen bürgerliches Leben lenken zu wollen und versuchten mir verschiedene andere Berufe schmackhaft zu machen. Weil ich mich immer auch für Biologie und Chemie interessiert habe, begann ich eine Ausbildung als Umweltschutz-Technikerin. Doch als die nächste Bewerbungsmöglichkeit an der BURG heran kam, nahm ich diese wahr und bestand den Test. Ich brach die Lehre ab und begann Kunst zu studieren. - Siehe auch „G wie Grafik“

HORIZONT (Am Tag danach), 2009, Holzschnitt-Diptychon, zweimal 67 x 97 cm
XY wie XX und XY
Kaum einer weiß oder wird vermuten, dass ich zeitlebens mit dem Frausein gehadert habe. Ohne an dieser Stelle ausführli-cher werden zu wollen, die körperliche Seite des Erwachsen-werdens habe ich als sehr demütigend empfunden. Diese Verwerfung war lange Zeit Grundthema und Triebfeder meiner Arbeit. Inzwischen habe ich mich rein äußerlich mit meinem biologischen Geschlecht abgefunden, in erster Linie aus Ermangelung einer passenden Alternative. Ich fühle mich als Neutrum, weder als Frau, noch als Mann. Aber phänotypisch lässt sich das nur schwer umsetzten, denn so ein Körper ist eine störrische, konservative Masse, die strikt am Binär-Schema festhalten will (jedenfalls meine "Masse"). - Siehe auch "B wie Befindlichkeiten"

ME (Blender und Blenderin), 2020, Farbholzschnitt, Druckmaß 42 x 60 cm
Z wie Zeit
Zeit ist die wichtige „Zutat“ für meine Arbeiten. Dass ich die Platten für Wochen, ja Monate wegstelle, ist für mich ein unverzichtba-rer Teil des Schaffensprozesses. Niemals will ich eine Idee einfach „nur“ umsetzen. Ich will einen permanenten Strom der Wachheit und Inspiration. Dazu gehören lange Unterbrechungen, um das Auge immer wieder neu zu justieren. Deswegen arbeite ich stets an mehreren Motiven gleichzeitig. - Siehe auch „D… wie Dauer“

IRRLICHTER (Die Versuchung), 2019, Holzschnitt, Druckmaß, 90 x 115 cm
Z wie Zu guter Letzt
Ohne meine beiden Katzen, genauer gesagt Kater, geht bei mir gar nichts. Der Rotblonde heißt Igor, der Getigerte Erwin.
